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Regen in der Stadt - das Neueste vom Stadtklima

Der amerikanische Meterologe Marshall Sheperd von der Universität von Georgia fand in Satellitendaten der NASA besonders starke Regenfälle im Bereich großer Städte. "Städte beeinflussen das Wetter und erzeugen ihren eigenen Regen und eigene Stürme", sagt er.

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(Eugenia_y_Julian stadtklima_nasa1 stadtklima_nasa1)

Als er die wissenschaftlichen Arbeiten von vielen Kollegen auf diese Frage hin durchsah, wurde ihm klar, dass alle wissen, dass große Städte mehr Regen erhalten, als ihr Umland. Doch gab es keine eindeutigen Erklärungen für dieses Phänomen.

Sheperd begriff, dass die Beantwortung der Frage, ob und wie Städte Niederschlag beeinflussen, mehr ist als eine interessante wissenschaftliche Herausforderung. Ist der Zusammenhang tatsächlich vorhanden, so müssten Wetterberichte, Vorhersagen von Hochwasserereignissen und Klimamodelle diesen Faktor einbeziehen, wenn sie die Menschen möglichst genau vor Unwettern, Stürmen oder dem Klimawandel warnen wollen. Zudem war eines klar: das Problem der Städte, die ihr Wetter selber machen, kann in Zukunft nur bedeutsamer werden, da überall auf der Welt die großen Städte rapide wachsen und so das Wetter und schließlich auch das Klima auf immer größerer Ebene verändern könnten.

Ein Blick auf das Sommerwetter
Als Sheperd zu forschen begann, untersuchte er sommerliche Wetterlagen, weil im Sommer das aktuelle Wetter eher von regionalen und lokalen Gegebenheiten bestimmt wird, als im Herbst-, Winter- und Frühjahr. Dann nämlich ziehen große Tiefdruckgebiete durch und kleinräumige Einflüsse spielen keine so große Rolle.

Mit Hilfe der Daten von erst wenige Jahre arbeitenden NASA-Satelliten betrachtete er zu Beginn Gebiete, in denen Seewinde auf die Küste treffen. "Ich begann zu erkennen, dass bei einigen Großstädten die ergiebigsten Regenfälle im Windschatten der Städte fielen", erklärt Sheperd.

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Die Satellitendaten zeigen eine erhöhte Regenmenge "hinter" manchen Städten, also wenn die vorherrschenden Winde (prevailing winds) über die Städte hinweggezogen sind. (NASA)

Was waren aber die auslösenden Faktoren für Regen im Lee der Städte?
Es braucht drei grundlegende Dinge, damit Wolken entstehen und Regen fallen kann:
- einmal eine instabile Luftschichtung. Luft ist instabil geschichtet, wenn sie wärmer als die umgebende Luft ist. Beginnt sie erst einmal aufzusteigen, dann wird sie immer weiter steigen.
- dann etwas, das die die Luft aufsteigen lässt, etwa eine Kaltfront, einen Berg, einen Seewind, oder eine Stadt.
- schließlich fehlt noch eine Kleinigkeit: Feuchtigkeit. Ist genügend Feuchtigkeit in der aufsteigenden und sich dabei abkühlenden Luft, dann wird sie an kleinsten Schweteilchen kondensieren, Tröpfchen und dann Wolken bilden und letztendlich abregnen.

Die Frage nach dem Einfluss der Städte ...
"Die erste wissenschaftliche These hängt mit dem Phänomen der "städtischen Wärmeinsel" zusammen", erklärt Sheperd. Viele Materialien, aus denen Städte gebaut werden - Beton, Teer, ... - speichern Sonnenwärme besonders gut. "Nimmt man die Wärmemenge dazu, die Städte durch Abwärme, Motoren, ... der Atmosphäre hinzufügen und, dass wenig Pflanzen dort wachsen", ergänzt Sheperd, "dann geht die Durchschnittstemperatur nach oben!" Zehn Grad und mehr können Städte gegenüber dem Umland überwärmt sein. Das wäre bereits eine Quelle für instabile Luft!

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Bebautes Land und Straßen sind offensichtlich eine Quelle für hohe Temperaturen (hier: Atlanta) (NASA)

Eine zweite Theorie besagt, dass Städte die bodennahen Luftströmungen stören. Fließt Luft über ein großes Weizenfeld, so wird sie weder besonders gebermst, noch abgelenkt. Trifft aber bodennahe Luft auf eine Stadt, wird die Luftströmung durch immer höhere Häuserreihen vom Stadtrand ind die Innenstadt hinein in die Höhe gelenkt. Eine Stadt stellt also eine "Kraft" dar, die Luft in die Höhe heben kann.

Die dritte Hypothese geht in dieselbe Richtung: aber anstatt die Luft in die Höhe zu befördern, können manche Städte Luftsrömungen auch teilen. Die Luft strömt dann um das Stadtgebiet herum und trifft erst hinter der Stadt wieder zusammen. Dies könnten entweder die "städtische Wärmeinsel" oder auch die Form und Struktur einer Stadt bewirken. Treffen die beiden Luftströme, die um die Stadt herum geflossen sind aufeinander, verhalten sie sich ein wenig wie zwei zusammenstoßende Züge, sie bäumen sich auf und werden in die Höhe gedrückt - Regenwolken können entstehen.

Auch ein vierter Punkt wäre noch aufzuzählen: "Wasserdampf formt sich nicht einfach so zu Tropfen", erklärt der Klimatologe Tom Bell vom NASA Goddard Space Flight Center, "er braucht Schmutz. Regen braucht kleinste Teilchen, um zu entstehen." Natürlicher Weise sind Salz, Pollen und Sandkörnchen und Staub die Kondensationskerne für Wassertröpfchen. Die künstlichen Aerosole der vom Menschen gemachten Luftverschmutzung sind aber viel kleiner. So bilden sich viel kleinere und viel mehr Tröpfchen, als bei natürlich vorkommenden Aerosolen. "Je nachdem, wo die Wolken enstehen, kann der Einfluss einer Stadt somit die Regenenstehung unterdrücken oder fördern", führt Bell weiter aus.

Ist der Untergrund nicht stark überwärmt, so steigt die Luft nur langsam auf, es bilden sich die kleinen Tröpfchen, die auch nicht größer werden und damit nicht schwer genug, um als Regen wieder herab zu fallen.
Ist der Untergrund sehr warm, so steigt die Luft schnell und weit in die Höhe, aus den kleinen Tröpchen bilden sich schließlich Eiskristalle. Beim Gefrieren wird Wärme frei, was dem Eis einen Aufwärtsschub gibt, es noch weiter aufsteigen lässt und von unten große Mengen feuchtwarme Luft nachsaugt. Dies führt schließlich zu einer sehr großen Niederschlagsmenge.

Was wirkt wie zusammen?
Unter Nutzung des ersten Satelliten gestützten Regenradars (TRMM = Tropical rainfall measuring mission) und weiterer erdgestützter Daten, wurde die Untersuchung fortgeführt.

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Messungen des TRMM für den August 2006 (mm Niederschlag pro Stunde):
besonders gut sichtbar ist in dieser Überblicksdarstellung die Innertropische Kovergenzzone (NASA)

Im Lee vieler Städtekonnten nach Auswertung der Daten von drei Messjahren bis zu 20% höhere Niederschlagswerte als vor und in den Städten nachgewiesen werden. Dies stimmte mit bodengestützten Messungen überein, die aber nur punktuell vorhanden waren.


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Das TRMM misst dreidimensional, also auch in die Höhe
(precipitation = Niederschlag, grün = leichter, rot = straker Nierderschlag;
das umgebende Satellitenbild ist im sichtbaren und infraroten Licht aufgenommen (NASA))

Ein Modell und seine Überprüfung ...
Was nun notwendig war, waren Modellvorstellungen für die verschiedenen Hypothesen und Beispielstädte, bei denen das Modell zu überprüfen war.
Zuerst nahm Sheperd sich Houston an der texanischenKüste vor. Entlang der Küste bringt ein Seewind feucht-warme Luft an Land. Bisher waren Studien davon ausgegangen, dass die besondere Küstenform für die recht hohen Niederschläge um Houston verantwortlich seien. Sheperd konnte an Hand eines Vergleichs der Küstenformen der Umgebung und der satellitengestützten Daten nachweisen, dass die Stadt auf die Niederschlagsmenge einwirkte. Er teilte die Küste in sieben Bereiche ein und konnte so zeigen, dass bei ähnlichen Küstenverhältnissen keine ähnlichen Niederschlagswerte auftraten. Bodengestützt hatte man bisher keine Vergleichsdaten zur Verfügung gehabt, weil es nur ein relativ weitmaschiges Netz von Bodenmessstationen gibt.
Für Houston zeigte sich, dass der Seewind von der Großstadt verändert wird und sich hinter der Stadt ergiebige Regenfälle messen lassen.

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In Vergleichen der Niederschlagsverteilung konnte für Houston gezeigt werden, dass sich die Niederschlagsverteilung seit der Veränderung Houstons von einer eher kleinstädtischen Gemeinde hin zu einer Großstadt auf den späten Nachmittag konzentriert haben. (NASA)

Im Modellversuch im Computer zeigte sich, dass Houston tasächlich die Luftströmung teilte. Die hinter der Stadt zusammenfließenden Winde erzeugten aufquellende Gewitterstürme.
Dieses Modell konnte auch auf andere US-amerikanische Städte übertragen werden.

In die Zukunft schauen!
Die Lage war aber nicht der einzige Faktor. "Kleinere Städte haben einen ganz anderen Einfluss, als größere Städte", sagte Sheperd. "Als wir mit Hilfe eines Simulationsprogramms Houstons Stadtwachstum bis 2025 simulierten, fanden wir den derzeitigen Effekt der höheren Regenmenge im Lee von Houston nicht mehr im Computermodell. Houston erhielt dafür deutlich höhere Niederschlagswerte im Stadtgebiet."

Betrachtet man das derzeitige Städtewachstum weltweit, so ist kaum noch zu bezweifeln, dass die Städte immer größeren Einfluss auf das weltweite Klima nehmen werden. Bis 2030 soll sich die Zahl der Stadtbewohner von 48% der Weltbevölkerung auf 59% erhöhen. Und das ist sicher noch nicht das Ende des Wachstums der Städte.

Quelle (übersetzt, gekürzt und leicht verändert nach):

  • http://earthobservatory.nasa.gov/Study/
  • Abbildungen (von oben nach unten):
    Map by Robert Simmon and Jesse Allen, based on Global Precipitation Analysis data.
    NASA images by Marit Jentoft-Nilsen, based on Landsat-7 data.)
    NASA image by Robert Simmon, based on TRMM data.
    NASA image by Robert Simmon, based on TRMM data.
    Image adapted from Burian and Shepherd, 2005 ( review of current investigations of urban-induced rainfall and recommendations for the future. Earth Interactions, 9 (12), 1-27)

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