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Mali - Bildung für Nomaden im Norden des Landes

Bildungshunger ist für sie ein realer Begriff. Aber wie vertragen sich die neu gebauten Schulen mit dem Wanderleben ihrer Familien?

Konzentriert malen die Kinder Buchstaben auf verkratzte Schiefertafeln. Sie sitzen auf uralten Schulbänken, ein geflochtenes Dach schützt vor der Sonne. Es ist nicht einfach, im Norden Malis, am Rande der Wüste, eine Schule zu gründen. Welcher Lehrer will schon am Ende der Welt arbeiten, fernab der Teerstraße, ohne Strom, Stunden vom nächsten Arzt entfernt?

Das Vieh bestimmt das Semester
Abubakrine Ag Hamana setzt sich mit seiner ganzen Energie für die Schule in Karal ein. Bisher mit Erfolg. Die Eltern – zumeist Nomaden – beteiligen sich an der Anschaffung von Heften, Büchern und Stiften. Sie schicken ihre Kinder allerdings nur zur Schule, solange das Vieh hier genug Gras findet.

Und die Kinder? Wer sie beobachtet, merkt, dass Bildungshunger kein abstrakter Begriff ist. Schon die Kleinsten begleiten ihre großen Geschwister in die Schule und verfolgen mit glänzenden Augen die französischen Sprachübungen und Lieder. Aber was wird, wenn der Regen ausbleibt und die Familien weiterziehen? Was wird aus begabten Kindern, die eine weiterführende Schule besuchen möchten? Und: Kehren sie später in ihre Heimat am Rande der Wüste zurück?

Arme lernen lieber
Abubakrine hat studiert, auch in England, und arbeitet jetzt für die Deutsche Welthungerhilfe. „Das aktuelle Bildungssystem passt nicht zu den Nomaden. Sie müssen mobil bleiben. Denn nur so können sie ihre Seele behalten“, meint er. Klimaveränderungen erschweren das Leben der Viehzüchter. „Früher konnten sie länger an einem Ort bleiben. Jetzt ist es trockener“, berichtet Mohamed Aly Ag Hamana, der ältere Bruder von Abubakrine. Seiner Meinung nach hat das nomadische Leben Zukunft, weil es Respekt vor der Natur zeigt und die Ressourcen schont.

Er schlägt vor, in verschiedenen Dörfern eine Basisinfrastruktur mit Schule und medizinischer Ambulanz zu schaffen, in deren Umkreis die Menschen dann umherziehen. Doch er sieht ein Problem: „Viele einflussreiche, höher gestellte Familien wollen ihre Kinder nicht in die Schulen geben.“ Arme Eltern schicken ihre Kinder dagegen gern zum Unterricht, wegen der Schulkantinen.

Stein oder Lehm – im Dorf oder draußen
Es gibt schon etliche Schulen im Norden Malis. Nicht nur selbst gebaute Lehmhütten wie in Karal, sondern auch massive Gebäude aus Beton und Stein, errichtet mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit und der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Manche wirken wie Fremdkörper, stehen am Dorfrand, abseits der Hütten und Zelte. Andere, wie die Schule in Raz El Mâ, bilden das Dorfzentrum. Aber auch hier hat der Wind die Fundamente freigelegt und hohe Dünen aufgeworfen. Als ob sich die Natur gegen steinerne Fixpunkte stemmt.

Oft fehlen Lehrer
Zurzeit ist es nicht realistisch, dass die Nomadenkinder zwischen verschiedenen Schulen hin- und herwechseln. Es gibt keinen einheitlichen Lehrplan. Anders als in Karal wachsen die Kinder in Raz El Mâ zweisprachig auf. Sie sollen zuerst Tamaschek, die Sprache der Tuareg lernen, bevor sie Französisch sprechen. Der Unterricht hier ist modern, es gibt Bücher, die das Leben der Nomaden widerspiegeln, vor allem gut ausgebildete Lehrer. In Araténe hingegen wird nur alle zwei Jahre eine neue Klasse eingeschult, weil Lehrer fehlen. Nomadentum und Bildung schließen sich nicht aus. Aber der bisherige Lebensstil zwingt die Menschen, sich im Zweifel für das Wohl die Herden zu entscheiden. Es fällt schwer, sich vorzustellen, wie der Zukunft der Grundschüler aussieht, die heute so eifrig schreiben und rechnen lernen.

Bettina Köhl arbeitet als Redakteurin beim Generalanzeiger in Bonn. Ihr Artikel erschien in der „Welternährung“ 1/2004

Text (leicht verändert) und Grafik mit freundlicher Genehmigung von den Internetseiten der

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