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Die geographischen Seiten des TLG

Vorbereitungen zur Afrika-Durchquerung

Gerhard Rohlfs
Quer durch Afrika
Die Erstdurchquerung der Sahara
vom Mittelmeer zum Golf von Guinea
1865 - 1867

Mit wie frohen Gefühlen landet der Afrikareisende, nachdem er die Fluten des Mittelmeeres durchfurcht, auf dem afrikanischen Kontinent, den er während der Dauer seiner Reisen gewissermaßen als seine Heimat betrachtet. Hier hofft er der geographischen Kenntnis neue Länder, neue Gebirge, Flüsse und Seen zu erschließen, hier hofft er neue Völker zu finden mit anderen Sitten, anderer Religion. Afrika ist in der Tat das Dorado [übertragen: Goldland] der Reisenden.

Das erste Erfordernis, das ein Afrikareisender, wie überhaupt jeder, der unbekannte Gegenden durchforschen will, von Haus aus mitbringen muss, ist, dass er sich selbst gründlich kennt; denn nur nach einer strengen und unparteiischen Selbsterkenntnis darf man hoffen, sich die genügende Menschenkenntnis anzueignen, und letztere ist nirgends so unentbehrlich als bei Reisen in Afrika, wo es täglich darauf ankommt, fremde Völker und Menschen richtig zu beurteilen. Gefahren drohen ja nur von einer Seite, von den Menschen. Die klimatischen Einflüsse dieser Gegenden lassen sich wirksam mit Chinin bekämpfen, und die von wilden Tieren kommenden Gefahren sind gleich Null; aber wie schwer ist es hier, den Freund vom Feind zu unterscheiden, umso schwerer, je höher die Stufe der sogenannten Zivilisation ist, die die Menschen einnehmen. Zweitens muss der Reisende Geduld im höchsten Grad besitzen, alle Arten von Strapazen, Hunger und Durst, selbst Kränkungen und Beschimpfungen ertragen können. Ohne diese Eigenschaften wird niemand in das Innere Afrikas einzudringen vermögen.

Mit den größten Schwierigkeiten ist immer der erste Schritt, die erste Etappe verbunden, namentlich das Durchkreuzen der Sahara. Wie viel tausend Dinge gibt es da nicht vorzusorgen und zu bedenken. Zu einer Reise durch die Sahara gehört eine ähnliche Ausrüstung wie zur Seereise auf einem Segelschiff. So wie der Kapitän eines Segelschiffes nie mit Bestimmtheit vorhersagen kann, an dem und dem Tag werde ich den Hafen erreichen, ebenso wenig kann der Karawanenführer zuverlässig behaupten, an dem oder jenem Punkt wird Wasser zu finden sein oder in so und so viel Tagen werden wir bei einer Oase anlangen. Desgleichen muss wie zu einer Seereise hinlänglicher Proviant mitgenommen werden. Trotz der mehr als tausendjährigen Erfahrung, wie oft geschieht es, dass die Lebensmittel- und Wasservorräte nicht ausreichen. Durch den Samum [Wüstenwind], durch die Hitze geht kein Mensch zugrunde, aber wie viele verschmachten alljährlich wegen Mangel an Trinkwasser. Was mich betrifft, so hatte ich einen Teil meiner Ausrüstung schon in Deutschland und Frankreich angeschafft: Ich kaufte in Paris die notwendigsten Instrumente, Aneroids [Barometer], Thermometer, Hygrometer [Feuchtemessgeräte], Hypsometer [Höhenmesser, der den höhenabhängigen Siedepunkt von Wasser misst], Bussolen [spezieller Kompass] etc., bei Lefaucheux die Waffen für meinen persönlichen Gebrauch, in Marseille die Medikamente und später in La Valletta [Malta] Teppiche, wollene Decken, Schwimmgürtel, Gewehre, Munition, Tee, Biskuits, einige Konserven und andere Gegenstände. In Tripolis endlich sollte das noch Fehlende ergänzt werden.

Aber abgesehen davon, dass Eingeborene und Europäer darin wetteifern, den europäischen Reisenden, den sie als eine Extrabeute betrachten, zu übervorteilen, hat das Einkaufen in Tripolis [Libyen] für den nicht Eingeweihten seine ganz besonderen Schwierigkeiten. Geht man z.B. auf den Markt, um ein Kamel oder irgendwelche Ware zu erstehen, so hat der Besitzer keinen Preis dafür oder er nennt wenigstens keinen. Auf die Frage: »Wie viel kostet das?« hat er die stehende Antwort: »Biete!« oder: »Wie viel gibst du?« Was soll nun aber der Neuling, dem die dortigen Verhältnisse fremd sind, auf einen Gegenstand bieten, dessen gewöhnlichen Preis er meist auch nicht annähernd kennt?

rohlfsafrikavorbereitung1Und gar vieles fehlte noch zu meiner vollständigen Ausrüstung. Außer den Dienern, Kamelen und Kameltreibern war für diese Reise durch die wasserlose Sahara zunächst die nötige Anzahl Schläuche zu beschaffen. Auf gute Schläuche hat man das Hauptaugenmerk zu richten. Als die besten gelten die von sudanischen Ziegen, nicht nur wegen ihrer Größe, sondern auch wegen der Dauerhaftigkeit des Leders. Ein Schlauch besteht aus dem ganzen ungenähten Fell einer Ziege oder eines Schafes. Um es ganz zu erhalten, zieht man den Körper des getöteten Tieres durch die Halsöffnung, die später als Mündung dient. Inwendig werden die Schläuche geteert, damit das Wasser länger vor Fäulnis geschätzt bleibt und auch damit weniger Wasser durch Verdunstung verloren geht. Große Schläuche halten bis zu fünfundsiebzig Pfund Wasser.

Sodann mussten Kisten gezimmert werden, Kochgeschirr für die Leute und für mich, Proviant in benötigter Menge, Tauwerk, Beile und andere Werkzeuge, endlich Waren, die als Geschenke und Tauschmittel dienen sollten, gekauft werden: Burnusse [arabischer weiter Mantel] von Tuch in den schreiendsten Farben, mit Gold bestickt, bunte Taschentücher, feineres und gröberes Baumwollenzeug, Maltese genannt, Turbane, achtzig Ellen lang (man denke sich, welche Zeit dazu gehört, um einen solchen Turban, der allerdings aus ganz leichtem Stoff besteht, um den Kopf zu wickeln!), rote Mützen, einige Stück Samt und Seide, Essenzen, echte und unechte Korallen, ganze Zentner Glasperlen der verschiedensten Art, zirka fünfzigtausend Nadeln, wovon man in Tripolis für einen Mariatheresientaler etwa sechstausend Stück bekommt, natürlich von sehr grober Arbeit. Auch ordinäres Schreibpapier, das von Deutschland kommt, und Hunderte von Messern, ebenfalls deutschen Fabrikats, kaufte ich ein, so dass nach und nach meine Wohnung einem Kaufladen glich.

(Vollständiger Text unter www.gutenberg.aol.de)

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