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Die geographischen Seiten des TLG

This sand is your sand, this sand is my sand

Rohstoff Sand. Über die Ökonomie des knapper werdenden Baumaterials
Wüstenstaaten importieren Sand, Strände werden geklaut und Marx-Generatoren stellen Sand aus Altbeton her. Der Rohstoff Sand wird immer knapper, der Kampf um die Ressourcen hat begonnen.

von Ivo Bozic  (Jungle World Nr. 2, 8. Januar 2015; Abdruck mit freundlicher Genehmigung)

Auf Sand gebaut

Öl, das weiß jeder, ist der wichtigste Rohstoff der Golfstaaten. Das Öl wird exportiert und führt dazu, dass in Dubai, Abu Dhabi und Katar die Hochhäuser nur so aus dem Boden schießen, und nicht nur die. In Dubai steht nicht nur das höchste Haus, sondern auch das teuerste Hotel der Welt, man kann bei bis zu 50 Grad Außentemperatur in der Halle Skifahren und Rodeln, in den größten Malls der Welt gibt es riesige Wasserfälle, Schlittschuhbahnen, Indoor-Rummelplätze und ein zehn Millionen Liter fassendes Hochseeaquarium, in dem 32 ausgewachsene Tigerhaie herumschwimmen. Der Bau des größten Flughafens der Welt ist in Planung, bis zur Eröffnung der Weltausstellung Expo 2020 sollen noch zahlreiche weitere Rekordbauten errichtet werden. Und obwohl ein Drittel der Büroflächen leer stehen, werden auch weiter eifrig Büro- und Wohnhochhäuser gebaut. Vor Abu Dhabi entstehen auf einer durch Aufschüttung vergrößerten Insel 29 Hotels mit über 7 000 Zimmern, außerdem 8 000 Villen und 38 000 Apartments, dazu fünf monumentale Museumsneubauten, darunter eine Guggenheim- und eine Louvre-Filiale (Jungle World 32/2014). Eine zehnspurige Autobahnbrücke führt auf die Insel.

Der Bauboom, den die Vereinigten Arabischen Emirate dem Öl verdanken, hat jedoch zur Folge, dass ein anderer Rohstoff importiert werden muss: Sand. Das klingt zuerst surreal. Ist Dubai nicht komplett auf Sand gebaut? Besteht die Arabische Halbinsel nicht ohnehin hauptsächlich aus Wüste? Sicher, Sand gibt es dort ohne Ende. Fährt man 30 Minuten mit dem Auto aus Dubai hinaus, kann man herrliche Abende allein zwischen Dünen unterm Sternenzelt erleben. Reist man in den Emiraten von einer Stadt zur anderen, so fährt man durch Wüste, manchmal legt sich ein Sandsturm über die Gegend und man kann keine 100 Meter weiter sehen. An Sand mangelt es also wahrlich nicht. Doch Wüstensand ist kein Bausand. Viel zu feinkörnig ist er, vom Wind geschliffen. Die Körner haften nicht. Das bedeutet, dass die Emirate Sand anderswo beschaffen und eben auch importieren müssen. Und nicht nur den Golfstaaten geht es so, auch Singapur zum Beispiel leidet unter Sandknappheit. Genaugenommen wird der Rohstoff sogar weltweit rar – und damit immer umkämpfter. Die Unep, das Umweltprogramm der Uno, schätzt den jährlichen Bedarf an Sand und Kies auf 40 Milliarden Tonnen, davon etwa 30 Milliarden Tonnen für Beton. Sie hat ausgerechnet, dass man damit eine 27 Meter hohe und ebenso breite Mauer rund um den Äquator bauen könnte. Vor allem China hat einen gewaltigen Bedarf an Baustoffen, 58 Prozent der weltweiten Zementproduktion entfallen auf die Volksrepublik. In den vergangenen drei Jahren hat das Land mehr Sand verarbeitet, als die USA im gesamten vorigen Jahrhundert. Da der Sand aus der Wüste nichts taugt, muss er vom Meeresgrund, an Stränden oder aus Flüssen abgebaut werden. Der Markt ist weitgehend unreguliert, es gibt keine internationale Preiskontrolle, kein Monitoring und so blühen illegale, mafiotische Geschäfte.

Wie Sand am Meer

Sand – beziehungsweise das daraus gewonnene Siliziumdioxid – wird nicht nur für den Häuserbau gebraucht, sondern auch für Straßen, für die Glas-, Kosmetik-, Wasch- und Reinigungsmittel-, Papier-, Mikrochip-, Solarzellen- und selbst die Lebensmittelproduktion (hier als E 551 bezeichnet), auch im Wein steckt Sand. In Singapur verbraucht – statistisch – pro Kopf jeder Einwohner 5,4 Tonnen Sand im Jahr, in Europa 4,6 Tonnen. Sand ist allgegenwärtig – und manchmal ist er dennoch einfach weg. Wie in Jamaika, wo im Juli 2008 über Nacht der 400 Meter lange Hotelstrand von Coral Spring in Trelawny verschwunden ist. Rund 500 LKW-Ladungen wurden einfach abtransportiert, die Täter nie geschnappt, die Ermittlungen verliefen, nun ja, im Sande. Solche Sanddiebstähle sind keine Seltenheit. In vielen Ländern gibt es ähnliche Fälle, von Ungarn über die Kapverden bis Indien. In Kenia werden regelmäßig Strände geplündert, ebenso in Sierra Leone, Senegal, Neuseeland. In Marokko klauen Sanddiebe jährlich zehn Millionen Kubikmeter (ein Kubikmeter Sand wiegt etwa 1,6 Tonnen), die mit Eselskarawanen abtransportiert und an die heimische Bauindustrie verkauft werden. Die Küste zwischen Safi und Esssouria verfügte früher über einen langen Strand, heute besteht sie aus einer Felsenlandschaft.

Sand wird natürlich nicht nur gestohlen, er wird auch regulär abgebaut. Aber dies kann wie im Falle Indonesiens und der Malediven ebenfalls dazu führen, dass ganze Inseln von der Landkarte verschwinden. In Indonesien sind in den vergangenen zehn Jahren 24 kleine Inseln abgetragen worden, viele weitere sind der Umweltschutzorganisation Greenpeace zufolge in Gefahr; von über 80 ist die Rede. Der Sand wurde nach China, Thailand, Hongkong und Singapur verkauft. Hingegen verschwanden zwölf Inseln der Malediven, da ihr Sand für die Bautätigkeiten und Strandaufschüttungen auf der Hauptinsel gebraucht wurde. Nicht nur vom Strand, vor allem vom Meeresboden wird Sand abgetragen. In Dubai etwa mit riesigen Schwimmbaggern des Luxemburger Unternehmens Jan de Nul. Dessen größter Bagger, die »Cristobal Colon«, kann Sand aus einer Meerestiefe bis zu 155 Meter holen und 46 000 Kubikmeter laden. Diese sogenannten Hopperbagger saugen selbstfahrend den Sand vom Meeresgrund. Als Erfinder des Schwimmbaggers gilt übrigens Leonardo da Vinci, der bereits 1513 ein solches Schiff zeichnete, doch damals ging es freilich weniger um Sandgewinnung als darum, Flüsse breiter und tiefer und somit schiffbar zu machen.

In Europa sind es vor allem Großbritannien, die Niederlande, Frankreich, Belgien, Irland, Polen und Dänemark, die Seesand und -kies abbauen. Aber auch Deutschland. Die Abbaufirmen müssen sich dabei in der Ost- und Nordsee an bewilligte Flächen halten. Manche Kiesvorkommen dürfen nicht ausgebeutet werden, weil sie in Seeschifffahrtswegen liegen oder weil sie als Laichplatz für besondere Fischarten ausgewiesen sind. Die Abbaufirma OAM-DEME Mineralien GmbH aus Großhansdorf würde wohl gerne auch in anderen Gewässern »fischen«, zum Beispiel in dänischen, aber das ist nicht möglich. Auf ihrer Homepage erklärt das Unternehmen: »Ausschließlich dänische Schiffe dürfen im dänischen Sektor baggern. Lizenzierte dänische Schiffe sind für Ausländer kaum zu erwerben. Aufgrund der geringeren Qualität ist das Material zudem nur bedingt als Zuschlagstoff verwendbar. Die Entnahme von Kies und Sand aus den großen Vorkommen an der englischen Ostküste ist prinzipiell für Deutschland möglich. Aufgrund der Entfernung zu den deutschen Küstenhäfen ist die Entnahme aus ökologischen und wirtschaftlichen Gründen jedoch nicht für den deutschen Markt geeignet.« Deutschland ist sowohl im Im- als auch im Export tätig. Der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe zufolge wurden im Jahr 2012 fast zehn Millionen Tonnen überwiegend in die Niederlande und nach Belgien verkauft, eingeführt wurden gleichzeitig gut zwei Millionen Tonnen. In den Niederlanden werden jährlich etwa 22 Millionen Kubikmeter Seesand gefördert, im Wattenmeer, dem Eems-Dollardgebiet, dem IJsselmeer, den Deltagewässern und vor allem der Nordsee. Die Hopperbagger dürfen jedoch, von einigen Ausnahmen abgesehen, nur die oberen zwei Meter abschlürfen.

Das neue Gold

Der internationale Sandhandel blüht. Wenn man in Dubai mit dem Lift auf das höchste Bauwerk der Welt, dem Burj Khalifa, fährt, hat man eine großartige Sicht über die ganze Stadt. Man sieht sie mitten im Sand stehen, dem »falschen« Sand, und man sieht unter sich die unzähligen Hochhäuser, die von hier aus zwar wie Streichholzschachteln aussehen, aber alle ihre 30, 40 oder auch 70 Stockwerke haben und die alle mit Sand, dem »richtigen«, gebaut wurden und werden. Und man kann auch sehr gut die Landgewinnungsprojekte Dubais vor der Küste sehen. Die künstliche Halbinsel »The Palm« mit dem berühmten Atlantis-Hotel an seiner Spitze und die künstliche Inselgruppe »The World«. Für »The Palm« mussten 385 Millionen Tonnen Sand aufgeschüttet werden, und selbst dafür taugt der feine Wüstensand nicht, weil er sofort wieder ins Meer gespült wird. »The World« verschlang 450 Millionen Tonnen Sand und eine weitere »Palme« ist bereits fertig gestellt. Der meiste Sand wird im umliegenden Gewässer vom Meeresboden abgesaugt, doch Dubais Sandhunger ist so groß, dass er nicht allein auf diesem Weg gestillt werden kann. Auch das Burj Khalifa selbst, von dessen Aussichtsplattform aus man dies alles so eindrucksvoll überblicken kann, brauchte natürlich jede Menge des kostbaren Rohstoffs, er wurde aus Australien importiert, insgesamt 257 000 Kubikmeter, also rund 400 000 Tonnen für ein einziges Haus. Eine britische Firma lieferte vor einem Jahr knapp 300 Tonnen Sand nach Dubai, der für zwei neue Pferderennbahnen gebraucht wird. In 110 Containern wurde das Material nach Dubai geschifft. 700 000 Euro war den Scheichs der britische Sand wert.

Insgesamt ist das globale Handelsvolumen von Sand und Kies zwischen 2002 und 2012 um respektable 265 Prozent gestiegen, von 5,1 auf 18,6 Milliarden Dollar. Der Wert von Sand ist schwer zu bemessen, er ist zunächst einmal kostenlos. Sand hat nur in großen Mengen überhaupt erst einen Wert. Eine Einkaufstüte voller Sand hat nicht etwa einen deutlich geringeren Preis als eine Tonne davon, sondern gar keinen. Kein Mensch würde die Tüte kaufen. Erst die Menge macht’s, und es sind der Abbau und der Transport, die den unhandlichen Rohstoff teuer machen und den Preis bestimmen. Nach Möglichkeit werden daher lange Transportwege vermieden, bereits 40 Kilometer können ein Drittel des Materialwerts ausmachen. Alle Zahlen zum Sandhandel sind jedoch mit Vorsicht zu genießen. Ein Großteil der An- und Verkäufe erscheint in keiner offiziellen Statistik, weil viele Geschäfte illegal ablaufen, selbst wenn Staaten oder staatseigene Betriebe direkt beteiligt sind.

Die Sand-Mafia

Singapur wird immer wieder beschuldigt, illegal Sand zu importieren. Die Organisation Global Witness hat Satellitenbilder präsentiert, die zeigen, dass die Landfläche Singapurs innerhalb von 50 Jahren um 22 Prozent gewachsen ist. Der Sand stammte aus Vietnam, Indonesien und Malaysia. Nachdem die Länder einen Exportstopp verhängten, schickte Singapur seine Baggerschiffe nach Kambodscha. Doch auch die kambodschanische Regierung hat den Sandexport inzwischen untersagt. Dennoch wächst Singapur weiter. Der kleine Stadtstaat mit der Größe Hamburgs, dessen Bevölkerungszahl seit 1960 von 1,6 Millionen auf heute 5,3 Millionen Einwohner gestiegen ist, und der sich ähnlich wie Dubai und Abu Dhabi in einem regelrechten Baurausch befindet, liegt auf einer Insel und braucht neue Landflächen. Dafür bezahlt man dann auch hohe und sehr hohe Preise. Zahlte Singapur zwischen 1995 und 2001 im Durchschnitt 2,4 Euro die Tonne, waren es zwischen 2003 und 2005 bereits 152 Euro. Singapur hat in der Vergangenheit »nationale Sand- und Kiesreserven« angelegt, wie es andere Staaten mit Öl oder Reis machen.

Nicht nur aus dem Meer, sondern auch aus Flussbetten wird Sand abgebaut. Flüsse transportieren einen großen Teil des Sandes in die Meere, global pro Jahr eine Menge, die etwa 500 Millionen LKW-Ladungen entspricht. Doch längst kommt nur ein Teil davon im Ozean an. Die Zeit berichtete im Sommer vom Sandabbau in einer Flussmündung nahe der schnell wachsenden indischen Metropole Mumbai. Rund 200 Männer, aber auch Kinder, tauchen dort pro Schicht ohne Sauerstoffmasken 17 Meter unter den Wasserspiegel, um mit bloßen Händen Eimer voller Sand zu füllen und nach oben zu befördern. Immer wieder sterben Arbeiter, denn die Strömung ist gefährlich. Diejenigen, die das alles kontrollieren, verfügen meist nicht über eine Förderlizenz. Die brauchen sie allerdings auch nicht. Der ganze Markt gleicht eher dem Drogenmarkt als einem geregelten Wirtschaftszweig. Von »Sand-Mafia« ist die Rede, von sandlords, die in ihren jeweiligen Gebieten ein Monopol über die Sandlieferungen für Bauunternehmer haben. Dies sind oft Lokalpolitiker, die über Möglichkeiten verfügen, Lizenzen zu fälschen und Polizisten und Behörden zu beeinflussen. »Die indische Sand-Mafia ist der Staat selbst«, resümiert die Zeit. Es ist jedenfalls die wohl mächtigste kriminelle Vereinigung Indiens derzeit.

Sand im Getriebe

In Indien regt sich jedoch inzwischen zaghaft Widerstand. In Mumbai hat sich eine kleine NGO gegründet, die sich »Awaaz« nennt und Sand im Getriebe jener Mafia sein möchte. Das ist nicht ungefährlich. Aktivisten wurden wiederholt bedroht und angegriffen. Auch in Frankreich hat sich eine Initiative gegen den Sandabbau vor der bretonischen Küste formiert. Vor allem sind es Fischer, die Auswirkungen auf das Ökosystem fürchten und sich um ihre Existenzgrundlage sorgen. Wo die mächtigen Staubsauger der Schwimmbagger durchs Meer gleiten, ziehen die Fische sich zurück. Die Organisation »Les Peuple des Dunes«, ein Zusammenschluss aus 31 Bürgerinitiativen, hat bereits Kundgebungen und Petitionen gegen das Vorhaben der Firma Roullier organisiert, die in den nächsten 20 Jahren jährlich 40 000 Kubikmeter Sand unmittelbar vor der Küste der Gemeinde Trébeurden fördern möchte.

In Deutschland verläuft die Sandförderung auf dem Meer bisher ohne Proteste, im Inland gibt es jedoch hin und wieder Widerspruch. In Frechen zum Beispiel, einem kleinen Städtchen in der Nähe von Köln, dreht sich vieles um Sand. Für Diskussionen sorgt dabei weder die riesige Weihnachtskrippe, die, wie die örtliche Lokalzeitung ausführlichst berichtete, auch in diesem Jahr wieder aufgebaut wurde und für die man 30 Eimer Sand für die Wüstendekoration aufschüttete, noch der neue Beachvolleyball-Platz am Freibad, für den 20 Tonnen frischer Quarzsand angeliefert wurden. Allerdings hat Letzteres wohl doch mit dem zu tun, über das man sich in Frechen gerade aufregt. Denn der Sand für das Volleyballfeld wurde von den örtlichen Quarzwerken gespendet, und man darf annehmen, dass das Unternehmen auf diese Weise ein wenig die Gemüter im Ort beruhigen will. Denn die Quarzwerke planen, Teile des Buschbeller Waldes abzuholzen, dem BUND zufolge geht es um 84 Hektar. 80 000 Menschen unterzeichneten eine Online-Petition gegen dieses Vorhaben, doch die Bezirksregierung Arnsberg genehmigte den weiteren Sandabbau, selbst wenn dafür Bäume gerodet werden müssen. Die Quarzwerke mussten jedoch eine Reihe von Auflagen akzeptieren. Für jeden Hektar gerodeten Wald werden drei Hektar aufgeforstet und die Fledermäuse, die im Buschbeller Wald nisten, sollen umgesiedelt werden. Ähnliche Konflikte gibt es an vielen Orten in Deutschland, etwa in der Oberpfalz, wo seit vielen Jahrzehnten Sand abgebaut wird und der Tagebau nun in ein Wasserschutzgebiet erweitert wird.

Öl, Gas, Sand

Sand wird übrigens auch für das derzeit in den USA so beliebte Fracking zur Öl- und Gasgewinnung benötigt. Dabei wird Wasser nicht nur mit Chemikalien, sondern zudem mit Sand vermischt und dann unter hohem Druck in die Bohrstelle gepresst. So wird das Gestein aufgebrochen und das Erdgas oder -öl freigesetzt. Der Sand dient der Offenhaltung und Stabilisierung der dabei erzeugten Risse. Aber nicht jeder Sand eignet sich dafür. Es müssen möglichst reine Siliziumdioxide sein, die Körner möglichst rund. Sie müssen außerdem einen hohen Druck aushalten. Bis zu 1 800 Tonnen Quarzsand werden für ein einziges Bohrloch benötigt. Im Jahr 2013 wurden in den USA rund 30 Millionen Tonnen Sand für Fracking verbraucht, für 2015 rechnet man mit fast 50 Millionen Tonnen. Die Tonne kostet durchschnittlich 45 bis 55 Dollar. Die Betreiber der amerikanischen Sandminen profitieren davon derzeit in ungeahntem Ausmaß. »Amerika im Sandrausch« titelte die FAZ, »Fracking löst einen Sand-Boom aus« das Wall Street Journal, »Jetzt auf Sand bauen!« empfahl der Focus. Im Internet kursieren unzählige Ratschläge, wie man als Anleger absahnen kann. Da Sand nicht an der Börse gehandelt wird und die meisten Produzenten nicht an der Börse gelistet sind, ist die Nachfrage nach Anlagetipps groß. Die FAZ berichtet: »Der Kurs der Aktie des Sandförderers U.S. Silica legte innerhalb eines Jahres um 147 Prozent zu, der Wert des Papiers der Eisenbahngesellschaft Canadian Pacific, die Sand transportiert, um 66 Prozent.« Bereits 41 Prozent des Quarzsandes, der in den USA verbraucht wird, wird beim Fracking eingesetzt. Im Mittleren Westen der USA, vor allem im Bundesstaat Wisconsin, sollen sich in den vergangenen Jahren über 100 Sandförderer angesiedelt haben. 2010 gab es dort nur fünf. Statt Sand kann man beim Fracking allerdings auch kleine Keramikkügelchen verwenden. Als im Juni bei Ribnitz-Damgarten in Mecklenburg-Vorpommern das Testfracking nach einem drei Jahre dauernden Moratorium wieder aufgenommen wurde, konnte man sehen, wie LKW riesige Säcke davon anlieferten.

Sand herstellen

Da der Bausand weltweit knapp zu werden droht, wird eifrig nach Alternativen gesucht. Keramikkügelchen kommen hier nicht in Frage, sondern vor allem Recycling. Im italienischen Treviso zum Beispiel wird in einer Müllverbrennungsanlage aus Restmüll Kunstsand hergestellt. Roboter, Windmaschinen und Magnetbänder sortieren den nicht zu verwertenden Müll aus, etwa 70 bis 80 Prozent. Der Rest wird in verschiedenen Mühlen zerkleinert und zermahlen, bis man kleine grau, schwarz oder bräunlich schimmernde Körner mit einem Durchmesser von fünf Millimetern hat. Mehrfach auf bis zu 200 Grad erhitzt und sterilisiert, soll das Endprodukt chemikalisch unbedenklich und geruchlos sein. Zum Bauen eignet sich der so gewonnene »Sand« jedoch nur eingeschränkt. Bisher wird er vor allem als Bauzuschlagsstoff und Füllmaterial eingesetzt.

Einen anderen Weg geht man im oberbayerischen Holzkirchen. Dort am Fraunhofer Institut für Bauphysik (IBP) versucht man, alten Beton so zu recyceln, dass daraus hochwertiger Bausand wird. Jährlich fallen weltweit etwa zwei Milliarden Tonnen Altbeton an, die Hälfte davon in China und Indien und 900 Millionen Tonnen in den USA, Europa und Japan. 80 Prozent davon wird mechanisch zerkleinert und kommt als Tragschicht in den Straßenbau. Die restlichen 20 Prozent ließen sich aufbereiten. Mit Hilfe eines sogenannten Marx-Generators werden in Holzkirchen kurze Blitze erzeugt, die die Betonstücke praktisch von innen sprengen und in einerseits Kies und andererseits Zementstein auftrennen. Nur so lässt sich das Material wieder als Baustoff einsetzen. Würde man den Beton einfach immer weiter zerkleinern, hätte man schließlich zwar auch eine Art Sand, der aber im Grunde nur fein gemahlener Altbeton wäre. Der lässt sich jedoch nicht für die neuerliche Betonherstellung verwenden, weil der Zementstein nachreagieren kann und die Körner eine zu niedrige Festigkeit haben. Daher hat das IBP aufwendig nach einer Methode geforscht, den Altbeton mit Blitzen zu zerlegen. Nur sehr kurze Blitze verlaufen durch einen Festkörper. In Holzkirchen hat man eine Laboranlage errichtet, die zwei mal 180 mal 60 Zentimeter groß ist, aber etwa zwei Tonnen wiegt. Das zu recycelnde Material läuft auf einem Förderband durch die Blitzanlage. Hinten kommt der Kies raus, durch ein Sieb fallen die kleinern Teile hindurch, die dann ausgewaschen und getrocknet werden können.

Demnächst soll eine Großanlage errichtet werden, wie Volker Thome, der am IBP das Projekt leitet, im Gespräch mit der Jungle World erklärt: »Momentan können wir im bereits laufenden Prototyp der Anlage etwa drei bis fünf Tonnen Altbeton pro Stunde aufbereiten. Das sind keine Laborbedingungen mehr, aber ist auch noch nicht wirtschaftlich. Unser Ziel ist es, auf etwa 20 Tonnen pro Stunde zu kommen. Ab da wird’s für die Zementindustrie interessant. So in zwei bis drei Jahren werden vielleicht die ersten Anlagen verkauft.« Zwar wird die Forschung am Fraunhofer Institut öffentlich gefördert, aber ohne private Partner geht es nicht. Man ist bereits mit einem Zementhersteller im Gespräch, der sich an der geplanten Großanlage beteiligen wird.

Glück auf

In Dubai hat man indes gerade wieder Sand eingekauft. Diesmal nicht zum Bauen, sondern feinen Reitsand für ein neues Leistungszentrum für Pferdesport. Und zwar bei einem kleinen Familienunternehmen aus Kirchhellen bei Bottrop. Insgesamt 1 500 Kubikmeter wollen die Emiratis, 300 werden pro Tag aus dem Ruhrgebiet nach Utrecht gefahren und von dort verschifft. Für den kleinen Drei-Mann-Betrieb ist der Auftrag wie ein Sechser im Lotto. Bottrop lebte einst von einem anderen Rohstoff: Steinkohle. Doch Anfang Dezember fuhren zum letzten Mal 103 Auszubildende im Bergwerk Prosper-Haniel ihre erste Schicht. Ab 2018 ist endgültig Schluss mit dem dortigen Untertagebau. Vielleicht sollte das Ruhrgebiet in den Tagebau einsteigen und künftig mit Sand Kohle machen.

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