Das Geheimnis einer faszinierenden Leidenschaft: Kriegsdiamanten
»Gestern war die dunkle Nacht des Kolonialismus. Heute ist das Leiden des Krieges, aber das Morgen wird das Paradies sein.
Dieses Morgen ist nie gekommen, nur ein ewiges Heute.«
(Pepetela, angolanischer Schriftsteller)
Unvergängliche Liebe symbolisieren sie, Glück und Wohlstand. Jeder kennt die Diamanten in den großen Anzeigen. Indes kaum etwas ist bekannt über die Schattenseiten der begehrten Steine. Beispiel Angola: Dort finanziert der Handel mit Diamanten und Öl einen seit drei Jahrzehnten andauernden Krieg. Weit über 10 Jahre dauerte der bewaffnete Kampf gegen die portugiesische Kolonialherrschaft. Nach der Unabhängigkeit 1974 ging die bewaffnete Auseinandersetzung in einen Bürgerkrieg zwischen der MPLA-Regierung (Volksbewegung für die Befreiung Angolas) und der Rebellenbewegung UNITA (Nationalunion für die volle Unabhängigkeit Angolas) über. Auch nach dem Ende der Blockkonfrontation – in dieser Phase wurde die MPLA von der UdSSR und Kuba unterstützt, die UNITA von Apartheid-Südafrika und den USA – hat Angola nur fünf Jahre eines brüchigen Friedens erlebt. Zehntausende sind nach Unfällen mit Landminen verkrüppelt, Millionen Minen liegen noch in der Erde und stellen eine permanente Gefahr für die Bevölkerung dar. Der Krieg erlaubt es Regierung wie Rebellen gleichermaßen, die soziale Not der Bevölkerung zu ignorieren – die Menschen werden von beiden Kriegsparteien terrorisiert und ausgeplündert. Angola ist eines der ärmsten Länder überhaupt, aber in bezug auf Bodenschätze das viertreichste Land der Welt. Gewinne aus unvergänglichen Steinen Zwischen 1992 und 1998 erzielte die von Jonas Savimbi geführte antikommunistische UNITA Gewinne von mindestens 3,7 Milliarden US-$ aus Diamantenverkäufen, ihrer Hauptfinanzierungsquelle. Die Verkäufe auf den Märkten in Europa bilden das Rückgrat ihrer Kriegsfinanzierung. Zur Zeit ist Angola der viertgrößte Diamantenproduzent weltweit mit einem Produktionsvolumen von ca. 600 Millionen US$ jährlich. Wichtiger Abnehmer der UNITA-Diamanten war jahrzehntelang der Großkonzern De Beers. Seit 60 Jahren dominiert das britisch-südafrikanische Unternehmen die internationale Edelsteinindustrie, indem sie über 60% der weltweiten Produktion klassifizieren, bewerten und verkaufen. Im Jahr 2000 betrug der Umsatz 5,67 Milliarden US$. Handelsembargo gegen Kriegsdiamanten Zur Unterbindung dieser Geschäfte verabschiedete der UN-Sicherheitsrat eine Resolution, die den direkten oder indirekten Export von sog. Kriegsdiamanten aus Angola, Sierra Leone und der Demokratischen Republik Kongo verbietet. Diese machen zwar lediglich zwischen 4 und 15% des Welthandels aus, aber bereits 4% entsprechen einer Summe von ca. 270 Millionen US$. Entscheidend für eine erfolgreiche Durchsetzung der Sanktionen ist die Frage, ob Diamanten verläßlich nach ihrer Herkunft bestimmt werden können. Internationale Experten sind sich darüber einig, dass die Herkunft eines ungeschliffenen Parcels ohne weiteres bestimmt werden kann. Da die Kontrollen in den Herkunftsländern lückenhaft sind, verlangt Fatal Transactions zusätzliche Kontrollen auf den großen Märkten in Europa, in Israel und den USA. Denn diese profitieren direkt von dem Handel. Trotz des bestehenden Embargos gelangen Kriegsdiamanten an die Börse.Hoher Preis für einen Mythos Die Diamantenindustrie lebt von der Legende, die begehrten Steine seien selten. Um ihren Verkaufspreis zu erhalten, hält De Beers Vorräte im Wert von z.Z. ca. 4 Mrd. US$ zurück. Die Kunden bezahlen Millionen für die Symbolhaftigkeit der Diamanten, für Glamour und ewige Liebe. Ihr Wert existiert jedoch ausschließlich in der Vorstellung ihrer Käufer und Käuferinnen: Ohne die symbolische Kraft der Steine würde der Handel zusammenbrechen. Aus Angst vor einer Verbraucher-Kampagne beschloß der »World Congress of Diamonds«, in Zukunft keine Schlupflöcher für Kriegsdiamanten zu lassen.Raffinierter Strategiewandel De Beers beteuerte nach dem Start der Kampagne Fatal Transactions im Herbst 1999, sich vollständig vom Markt in Angola und Sierra Leone zurückziehen zu wollen und damit über die Vorgaben des UN-Embargos hinaus zu gehen. Der Großkonzern wirbt mittlerweile mit seiner neuen Geschäftsidee der »kriegsfreien Diamanten«. Ein Erfolg der Kampagne Fatal Transactions? Ein Teilerfolg? Ja, gewiß! Doch die »ethische Bergbaupolitik« von De Beers ist auch geleitet von dem strategischen Interesse, den Preis zu stabilisieren. Und der ist gefährdet, seit der informelle Sektor – der illegale Markt schwer kontrollierbarer Diamantenschmuggler und Kleinförderer – auf den Markt drängen. Schon vor Jahren hat De Beers Söldnerfirmen beauftragt, die Schmuggelroute zwischen Sierra Leone und Liberia zu unterbrechen. Die neue Strategie ist besser durchdacht: De Beers befürwortet die Einhaltung des Embargos und entledigt sich damit der Konkurrenz. Ziel von Fatal Transactions ist nicht die Absicherung wirtschaftlicher Monopole, sondern die Beseitigung der Kriegsschäden, für die auch de Beers – nach dem Verursacherprinzip – verantwortlich gemacht werden muß. Für die Kontrolle des Diamantenhandels fordert Fatal Transactions die Einrichtung einer unabhängigen Prüfkommission zur Vergabe eines Unbedenklichkeitszeugnisses. Diese Kommission darf die Vergabe eines Herkunftszertifikates nicht ausschließlich vom Exportland abhängig machen, um eine Verlagerung des Schmuggelmarktes zu verhindern: Zwischen 1994 und 1998 wurden z.B. aus Liberia 6 Millionen Karat Diamanten exportiert, aber nur 140.000 Karat produziert. Der Überschuß stammt wurde aus dem Bürgerkriegsland Sierra Leone geschmuggelt. Neben der Einhaltung des Embargos muß ein strengeres Waffengesetz verhängt werden, um diesen Handel zu erschweren. Öl für den Krieg Während die UNITA ihre Waffenkäufe weitgehend aus den Einnahmen der Diamantenausfuhr finanziert, ist die MPLA-Regierung Angolas unter Staatspräsident José Eduardo dos Santos hauptsächlich auf den Ölexport angewiesen. Die Gewinne aus der Erdölförderung sollen die Hälfte der gesamten Staatseinnahmen ausmachen; die Erdölförderung bringt 94% der Exporterlöse ein und ist damit der wichtigste Devisenbringer. Öl im Wert von 11 Millionen US$ wird jetzt schon täglich gefördert. Angola gilt inzwischen weltweit als eines der lukrativsten Explorationsgebiete. Die erwarteten Einnahmen für die Regierung in Luanda zwischen 2003 und 2010: Zwischen 2,9 und 3,2 Milliarden US$. Durch die kriegsbedingte Zerstörung fast aller anderen Wirtschaftszweige ist Angolas Regierung heute mehr denn je auf die Einnahmen aus dem Geschäft mit dem schwarzen Gold angewiesen. US-amerikanische Konzerne haben 8 Milliarden Mark in Angolas Ölindustrie investiert, die derzeit 7% des amerikanischen Bedarfs deckt. Auf 16% soll dies bis zum Jahr 2005 gesteigert werden. Deshalb haben die USA politisch die Seiten gewechselt und nach über 20 Jahren die Unterstützung der UNITA aufgegeben. Firmen wie Elf Aquitaine und Chevron verdienen doppelt an dem Handel mit Angola, indem sie einerseits Öl exportieren und andererseits über Zwischenhändler Waffen importieren. Der Direktor von Elf-Aquitaine in Angola hat zugegeben, dass sein Vorgänger jahrelang für die UNITA Waffen nach Angola geschmuggelt hat. Sicherheit wird zur Ware Bei der Kontrolle von Bodenschätzen stehen Privatarmeen und private Sicherheitsdienste den Großkonzernen und den Warlords in Afrika und anderswo zur Seite. Privatarmeen und private Sicherheitsdienste erobern und schützen Industrieanlagen, ersetzen teilweise staatliche Unternehmen und beteiligen sich am Schmuggel. Seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes wurden in Afrika ca. 1,1 Millionen Soldaten demobilisiert. Ein Großteil von ihnen fand ein neues Betätigungsfeld im Bereich des boomenden Marktes der privaten Sicherheit. »Wir arbeiten gegen Geld für Frieden«In Angola hat Executive Outcomes (EO) 1992 im Auftrag ausländischer Unternehmen Ölfelder an der Küste geschützt. Zwei Jahre später eroberten die Söldner die Diamantenzentren Saurimo und Cafunfo zurück. Hauptgewinner dieser Operation war der Diamantenkonzern De Beers – der mit wachsendem Unmut die Kontrolle der UNITA über die Diamantengebiete beobachtete – sowie der mit EO assoziierte Konzern Diamond Works. Auch die angolanischen Eliten verdienten gut an dem Einsatz. Es ist einträglicher, einen Krieg auszubeuten als ihn zu gewinnen. Zur Ökonomie des Krieges Es ist einträglicher, einen Krieg auszubeuten als ihn zu gewinnen. Dieses nüchterne Fazit kann man aus der Betrachtung der nicht enden wollenden Kriege in Afrika ziehen. Nach dem Ende der Blockkonfrontation verlor Afrika weitgehend seine geostrategische Bedeutung. Bürgerkriegsökonomien eröffnen »schwachen« autoritären Regierungen, Armeeangehörigen, Bandenchefs, Söldnern und sogar Teilen der Zivilbevölkerung Möglichkeiten, sich kurzfristige politische Vorteile zu verschaffen und sich persönlich zu bereichern. Ermöglicht wird dies durch den Handel mit dem Norden. Ohne diese finanzielle Zufuhr wären viele der afrikanischen Kriege längst am Ende. In Angola haben die transnationalen Konzerne genausowenig Interesse an der Beendigung des Konfliktes wie die korrupten Warlords. Angolas Präsident dos Santos und UNITA-Führer Savimbi zählen zu den reichsten Männern der Welt. »Staatliche Funktionen werden durch Einsparungen im Sozialbereich, durch wirtschaftliche Deregulierung und Marktöffnung für transnationale Konzerne und Kapital sowie durch den Einsatz privater Sicherheitsfirmen ausgehöhlt.« In Mosambik z.B. beruhte der Erfolg des Friedensabkommens im Jahr 1992 vor allem darauf, dass auf beiden Seiten die Ressourcen für die Fortführung des Krieges fehlten. Frieden zu schließen erschien den Kriegsparteien – auch aus ökonomischen Gründen – attraktiver, als weiter zu kämpfen. Die Profiteure der Kriege um Rohstoffe – transnationale Konzerne, korrupte Regierungen, Nachbarstaaten, Warlords, private Söldnerfirmen und Teile der Zivilbevölkerung – konkurrieren und kooperieren miteinander und halten die Strukturen der Kriegsökonomie aufrecht. Wären die transnationalen Konzerne bereit, die materielle Unterstützung der Konflikte einzustellen und die Wirtschaftsbeziehungen der Kriegsherren zu blockieren, würde das Geschäft mit der Gewalt unrentabel. Dies wäre endlich wieder die Stunde der zum Schweigen gebrachten zivilen Mehrheit Afrikas. Bislang hat Afrika nur seine Toten, um auf sich aufmerksam zu machen.
Text mit freundlicher Genehmigung von (Hier gibt es noch mehr Informationen -> siehe medico-Rundschreiben)