Rohstoffausbeutung und Krieg in Afrika

Weiteres Beispiel:

 

»Sagen Sie dies den Menschen in Europa: Es sind vielleicht zehn Leute, wenn es hochkommt, die mit dem Coltan Profite machen. Und diese zehn Leute sollte man zum Teufel jagen.«

Vertreter von Nichtregierungsorganisationen in der Kivu-Provinz im Osten des Kongo.

 

Wissen Sie was Coltan ist?
Coltan enthält das seltene und teure Metall Tantal, das im chemischen Anlagenbau, in der Raumfahrtindustrie und in der Computer- und Kommunikationstechnologie verarbeitet wird und deshalb vom Pentagon als »strategische Ressource« eingestuft wird. Tantal begegnet uns auch im täglichen Leben als unverzichtbarer Bestandteil von Mobiltelefonen oder Spielkonsolen. Ein heißbegehrter Rohstoff also,um den die Kriegsparteien in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) kämpfen. 80 Prozent des weltweit vorhandenen Coltans soll dort im Boden liegen. Der Preis für ein Kilo Coltan lag Ende 2000 bei 360 US-$. Gegenwärtig ist der Preis zwar gesunken, doch Experten erwarten auch weiterhin ein lukratives Geschäft. Und für die Schürfer macht dies ohnehin keinen großen Unterschied. Angesichts der weit verbreiteten Not lassen sie sich mit wenigen Dollar abspeisen und riskieren dafür unter primitivsten Abbaubedingungen Gesundheit und Leben. Über Zwischenhändler landet Coltan bei den Vertretern internationaler Firmen und schließlich auf dem Weltmarkt. Ein UN-Bericht zur illegalen Ausbeutung von Rohstoffen in der DR Kongo stellt fest, dass das Ziel des Krieges die Kontrolle und die Ausbeutung von fünf namentlich genannten Rohstoffen ist: Diamanten, Gold, Kupfer, Kobalt und Coltan.


Ein Krieg um Rohstoffe
Auf dem Rücken der Bevölkerung wird seit Jahren um politische Einflusssphären in Zentalafrika gekämpft. Zugleich geht es um die Verteilung der Bodenschätze im Zeitalter der Globalisierung. Die koloniale Vergangenheit und der Rohstoffhandel der Gegenwart haben eines gemeinsam: Der Gewinn fließt in den Norden der Welt.

Nach mehr als vier Jahren Krieg wachsen derzeit im Kongo wieder Friedenshoffnungen. Doch die Konfliktparteien sind tief zerstritten, Staat und Wirtschaft liegen am Boden. Die strukturellen Ursachen des Konflikts sind weiterhin vorhanden. Das Leiden der Bevölkerung nimmt kein Ende, solange einzelne Profiteure sich eine goldene Nase verdienen können.

Alle Konfliktparteien verdienen gut am Rohstoffexport. Um Haushaltslücken zu stopfen vergeben sowohl die Regierung als auch die Rebellen Handels-Konzessionen zu Schleuderpreisen: Ölförderlizenzen gingen an Angola, Diamanten- und Kobaltminen an Simbabwe, Abbaurechte für Diamanten an Namibia. Besatzungstruppen und – nach deren Rückzug – Rebellenarmeen, die mehr als die Hälfte des Staatsgebietes kontrollieren, verkaufen Holz, Kaffee, Diamanten, Gold und Coltan. Uganda verzehnfachte im Laufe des Krieges seine Goldexporte – ein Großteil illegal importiert aus dem Kongo. Auch Ruanda hat sich im Kongo jahrelang am »Multi-Milliarden-Dollar-Diebstahl« beteiligt. Und die internationale Gemeinschaft schaut zu.

Internationale Verwicklung
Der Rohstoffreichtum kann nur dann zu satten Gewinnen führen, wenn es Unternehmen gibt, die mit den Kriegsparteien direkt oder über Zwischenhändler Handel treiben und die Rohstoffe in den Weltmarkt einspeisen. Und die gibt es zur Genüge. »Der Kongo wird systematisch ausgeplündert«, stellt die UN in mehreren Berichten fest, der die USA und Deutschland als wichtigste Abnehmer von kongolesischem Coltan ausmacht. Die Firmen Masingiro GmbH (Burgthann) und ihre Partnerfirma SOMIKIVU beliefern Großhändler und verarbeitende Firmen u.a. in Deutschland wie die Bayer-Tochter H.C. Starck. H.C. Starck gilt trotz internationaler Proteste als wichtigster Handelspartner für Coltan aus dem Kongo. Die unterschiedlichen Händler machen – legale oder illegale – Geschäfte mit den diversen Kriegsparteien und lassen sich teilweise direkt in Schürf- und Handelskonzessionen bezahlen.

Das Coltan-Geschäft ist nur eines der Rädchen im Kreislauf der Kriegsökonomie. Doch dieses Rädchen zeigt, wie der Mechanismus der »neuen Kriege« funktioniert: Rohstoffe werden in den Norden exportiert, diese wiederum finanzieren die Waffen, mit denen der Konflikt aufrecht gehalten wird. Die einflussreichen Kriegsgewinner haben kein Interesse an einer Beendigung des Krieges und dem Aufbau einer friedlichen Gesellschaft. Der Norden profitiert in doppelter Weise von dem Krieg: die Rohstoffe werden zu günstigen Bedingungen importiert und die Gewinne fließen nicht als Investitionen zurück nach Afrika. Rund 12 Milliarden US-$ verdienen die erwähnten Akteure am kongolesischen Krieg pro Jahr.

Folgen für die Bevölkerung
Alle bewaffneten Einheiten sichern ihr tägliches Überleben durch Plünderungen. Die Bevölkerung ganzer Landstriche flüchtet in die Städte, um sich vor den Überfällen zu schützen. Die Folge ist eine schnelle und chaotische Urbanisierung bei gleichzeitigem Verfall öffentlicher Strukturen und weit verbreiteter Erwerbslosigkeit. Der belgische Kongo-Kenner Erik Kennes fasst die Situation wie folgt zusammen: »Die Bevölkerung arbeitet bis zur Entkräftung, um die Armeen zu ernähren, die sie ausbeuten.«

Die Profiteure beim Namen nennen
Ein UN-Bericht zur illegalen Rohstoffausbeutung kommt ungewohnt deutlich zu dem Ergebnis, dass Sanktionen gegen transnationale Konzerne verhängt werden müssten, die an der illegalen Ausfuhr von Gütern aus dem kriegsgebeutelten Land beteiligt sind. Das Auswärtige Amt lehnt es einstweilen ab, diese Forderung über das Außenwirtschaftsgesetz oder auf anderem gesetzlichen Weg auf nationaler Ebene umzusetzen und wartet stattdessen auf eine Beschlussfassung auf UN-Ebene. Die UN weist in einem Bericht von Oktober 2002 nach, dass mehrere deutsche Firmen fortgesetzt gegen die Richtlinien der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) verstoßen. Neben Reisesanktionen verlangt das Expertenteam ein Einfrieren der Konten und das Verbot von Kreditvergabe gegen die im Bericht genannten Verantwortlichen.

 

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BBOA/STM

Was tun?
»Was hat mein Handy mit dem Krieg im Kongo zu tun?« – mit dieser Frage möchten wir, ein Bündnis deutscher Hilfsorganisationen, auf die Ursachen der humanitären Katastrophe im Kongo hinweisen. Wir unterstützen Hilfsprojekte für die Bevölkerung vor Ort und wenden uns gegen die skrupellose Rohstoffausbeutung in Afrika. Gemeinsam fordern wir:

- Konzerne, die im Kongo Geschäfte machen, müssen die von ihnen geleisteten Zahlungen offen legen, damit die Bevölkerung ihre Regierung zur Rechenschaft ziehen kann.
- Konzerne, die jahrelang im Kongo Geschäfte gemacht haben, müssen sich am Wiederaufbau des Landes beteiligen.
- Konzerne müssen nachweisen, dass die Gewinne aus dem Coltan-Handel nicht zur Verlängerung des Krieges beitragen. Kann diese Transparenz gemäß der OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen nicht gewährleistet werden, müssen automatisch Sanktionen gegen die Konzerne einsetzen.


Text mit freundlicher Genehmigung von
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(Hier gibt es noch mehr Informationen -> siehe medico-Rundschreiben)