Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Schule in Geographie umsetzen

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Der Wunsch, bei Schülern, Kindern, Jugendlichen, eine Einstellungsveränderung in Richtung nachhaltigkeitskonformem Verhalten zu erzeugen und ihnen Kompetenzen zum eigenen Gestalten der Zukunft an die Hand zu geben, ist nicht neu. Vor Jahren nannte sich das Umwelterziehung, ...

Nun scheint die klasssische Umwelterziehung mit ihren so faszinierenden wie durchdachten aktivierenden und selbsttätigen Ansätzen keine relevante dauerhafte Änderung des Verhaltens bei Kindern und Jugendlichen bewirken zu können. Zudem sind die Ressourcen der beteiligten Einrichtungen begrenzt.

Im Folgenden sollen einige (unsortierte) Thesen zu den Problemen bei Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) angesprochen und gezeigt werden, was in der realen Situation der Schule vermittelt werden kann.

Was kann nun die Schule an sich überhaupt erreichen, wenn so kind- und jugendgerechte Angebote wie die der Umwelterziehung wenig Veränderung in der gewünschten Richtung nach sich ziehen?

Hier sollte zuerst die Frage gestellt werden, was Schule eigentlich leistet.
Nicht unbedingt Erziehung steht im Zentrum jeden Unterrichts, mehr die Vermittlung von Wissen (und laut Lehrplan auch von Einstellungen, Werten, ...). Dass Schule im Bereich Wissensvermittlung in den letzten Jahrzehnten sehr kompetent ist, beinahe ein echtes Erfolgsmodell, wird zwar manchmal bezweifelt, doch nie grundsätzlich in Frage gestellt. Zudem wird eine Menge an Wissen benötigt, um begründete Entscheidungen treffen zu können, etwa auch in der Frage von Verhaltensänderungen.

Wissen!
Beim Thema Wissensvermittlung muss man einschränkend zugeben, dass "Wissen" nie wie von der Lehrkraft geplant beim Schüler ankommt, sondern immer nur ausschnitthaft, verzerrt oder auch einfach falsch. Kennt ein Lernender etwa die notwendigen Basisinformationen zu einem Thema nicht, die das Gehirn braucht, um Verknüpfungen zu einem neuen Thema herstellen zu können, so wird eine sinnvolle Einbindung und damit Speicherung von Wissen nicht möglich sein.

Ob das Aufgenommene überhaupt langfristig gespeichert wird, hängt von verschiedenen weiteren Faktoren ab, zum Beispiel von der Frage, ob es "wichtig" genug ist, um fest ins Langzeitgedächtnis aufgenommen zu werden. Wird ein "Stück Wissen" beispielsweise nie wieder benötigt, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht dauerhaft gemerkt. Ist es zudem uninteressanter als die Dinge aus der vermeintlichen, erträumten, multimedial vorgegaukelten Lebenswirklichkeit der Schüler, so steht es in direkter Konkurrenz und wird ebenfalls schnell vergessen.
Wird andererseits in sehr hohem Tempo Wissen vermittelt, ist schnell die Speicherleistung des Gehirns an ihren Grenzen, alle neu hinzukommenden Informationen verdrängen entweder die davor aufgenommenen oder werden schlicht nicht gemerkt.
Das trifft auch zu, wenn eine Reizüberflutung bei den Schülern eintritt (Internet, Fernsehen, Schule, ...).

Ob Wissen überhaupt verstanden und gemerkt werden kann, hängt auch von der Art und Weise der Vermittlung ab. Das liegt sehr einfach gesprochen an der Struktur des menschlichen Gehirns.

Als Lehrkraft packe ich für meine Schüler üblicher Weise "Wissenspakete" in Form von Lehrervorträgen, Arbeitsblättern, ..., von denen ich annehme, dass sie zu meinen Schülern passen, sie also insgesamt weder besonders unterfordern, noch überfordern. Für Schüler, die in einem bestimmten Bereich weniger Wissen besitzen, können solche Pakete aber deutlich zu groß sein. Sie können solche "Wissenspakete" nicht öffnen. Schüler, die sehr viel Vorwissen aufweisen, können die - nach ihrem Maßstab - sehr kleinen Pakete zwar öffnen, sie sind aber wenig interessant, da die Wissensinhalte für sie zu schmal sind. Für einen kleinen Teil der Schüler passen meine wohldurchdachten "Wissenspakete" ganz exakt.

Hinzu kommt nun die Art der Vermittlung. Eine positive und angenehme Lernumgebung schafft erst die Voraussetzung für einen gelingenden Lernprozess. Negatives und Angst blockieren das menschliche Gehirn und verhindern Lernerfolg. Bei Stress werden die höheren Gehirnfunktionen zu Gunsten der Basissteuerung durch reflexartige Reaktionen zurück gefahren. Stichwort: ducken und bloß nicht aufschauen.

Auch die Frage nach den Seh- und Lerngewohnheiten sollte gestellt werden. Hier tritt die schulische Wissensvermittlung in Konkurrenz zu multimedialen und zum Teil auch interaktiven Angeboten aus dem außerschulischen Raum. Motivation somit nur aus einem guten Lehrervortrag zu ziehen, fällt Schülern schwer.

Insgesamt steht die Wissensvermittlung heute unter keinem sehr günstigen Stern, Konkurrenzprodukte, Zeitmangel und Überflutung mit sog. Wissenswertem stellen schulisches Lernen an sich in Frage.

Erziehung: Wissen plus Gestaltungskompetenz
Nun zurück zum Thema Erziehung. Erziehung würde nun bereits mehr in Richtung Verhaltensänderung gerichtet sein, als nur die Vermittlung von Wissen.

Wie wir gesehen haben, ist aber bereits bloße und simple Wissensvermittlung kein einfacher Vorgang.
Erziehung - und das kann die eigene Erfahrung aller Eltern bestätigen - funktioniert, aber braucht viel Zeit, viel Geduld und viele Wiederholungen.

Damit sind der noch so packend gestaltete "Umwelttag", die "Klimawoche", das "Naturschutzwochenende" von vornherein in ihrer Wirkung beschränkt. Hier fehlt die Dauerhaftigkeit, die Wiederholung, die Themenerweiterung, um spannend zu bleiben und dauerhaft in die Lebenswirklichkeit der Schüler integriert zu werden. Zudem muss eine nachhaltige Entwicklung ja erst entwickelt werden, sie ist also ein Prozess, des andauernden Nachdenkens, der Steuerung und Gestaltung der Zukunft.

Damit ist auch eine kurze Sequenz innerhalb des (Geographie-)Unterrichts wenig geeignet, langfristig wirksam zu sein. Hier kann zwar intensiv gearbeitet werden, aber die evtl. aufkommende Spannung wird abgewürgt, wenn sie endlich nutzbar gemacht werden könnte.

Spannung!
Was ist denn eigentlich spannend für Jugendliche, um unsere Klientel genauer zu betrachten. Spannend sind viele Bereiche, die die eigene Lebenswelt betreffen. Konsum, Fortbewegung, evtl. auch die eigene Wunsch-Lebensplanung treffen zum Beispiel den Nerv von Oberstufenschülern.
Eine echte Leitfrage für diese Altersgruppe wäre somit: "Wie will ich in Zukunft leben?"

Einschränkend muss zugegeben werden, dass es schon grundsätzlich nicht möglich ist, dauerhaft zu interessieren oder motivieren, wenn bei den Lernenden gerade ganz andere Dinge im Vodergrund stehen. Mehr als ein Anstoß - der evtl. später einmal weiter wirkt - ist das Angebotene häufig nicht.

Zeit!
Wie viel Zeit wird für eine Verhaltensänderung hin zu eigenständigem Denken und Planen und Handeln benötigt? Aus eigener Erfahrung lässt sich sagen, dass eine echte Verhaltensänderung, die in zentrale Bereiche des eigenen Lebens einschneidet, einer wirklich langfristigen Perspektive bedarf. Und viel positiver Motivation.
Ein Jahr als Zielwert ist sicher nicht zu hoch angesetzt, eher deutlich zu niedrig.
In einem Projekt, das viele verschiedene Lernbereiche (besonders des Geographieunterrichts) einbezieht, dabei aber auf ein großes Ganzes zielt, kann der Beginn eigener Verhaltensänderung bei Schülern gelegt werden. Dabei ist es nicht notwendig (und zielführend) das ganze Schuljahr nur über ein Thema zu sprechen, vielmehr geht es darum in verschiedenen Themenbereichen das gemeinsame Überthema im Blick zu behalten und es immer wieder in unterschiedlichen Kontexten anzusprechen. Besonders effektiv wäre es, wenn es gelänge, für die angestrebte Gesamtperspektive und Gestaltungskompetenz schrittweise Wissen um das eigentliche Thema herum erarbeiten zu können, das dann als Basis für begründete eigene Entscheidungen der Schüler dienen könnte - im Idealfall gar multikausal wie multiperspekivisch.

Selber arbeiten!
In mehreren kürzeren Arbeitseinheiten kann ein solches übergreifende Thema in schülerzentrierter und arbeitsteiliger Kleingruppenarbeit erarbeitet werden.
Dabei sollte - trotz eventueller Themenvorgabe - den Schülern die Möglichkeit eingeräumt werden, nach eigenen Vorlieben innerhalb des Themas zu arbeiten. Sich im Thema selber für ein Unterthema entscheiden zu können oder die Form der geographischen Arbeit (Befragung, Kartierung, Planung, ...) selber nach eigenen Wünschen und Interessen zu wählen, stärkt den Projektbezug der Schüler.
Im stark arbeitsteiligen Verfahren sind die Gruppen zudem aufeinander angewiesen und benötigen jeweils Arbeitsergebnisse von anderen Gruppen und können sich zusätzlich gegenseitig Arbeitsaufträge geben, da ja nicht jede Gruppe für alles zuständig ist. Dies trägt zu einem gesteigerten Verantwortungsbewusstsein gegenüber der eigenen Arbeit, dem Projekt und seinen Ergebnissen bei.

Positive Motivation!
Schon vor Beginn des Projektes sollte (Grund-)Wissen erarbeitet sein, dann muss die Lehrkraft Motivation schaffen, Möglichkeiten aufzeigen und die potentielle Freiheit im Projekt andeuten.
Die Aufgabe der Lehrkraft ist es auch, nach Projektpausen das Projekt wieder mit Leben zu füllen, anzuschieben, Themen wieder aufzunehmen. Dabei kann (oder besser sollte) Unterstützung aus Personengruppen heranzgezogen werden, die schülernäher sind, als eben Lehrer.
Dazu gehören besonders aktuell für Schüler interessante Prominente. Zeitungsartikel, Werbeplakate, Interviews oder sogar ein persönliches Treffen, eine persönliche Nachricht einer schülernahen Identifikationsfigur machen das Thema "sexy", sprich für Schüler ansprechend.

Stichwort: LOHAS - der lifestyle of health and sustainability, von Vorbildern vorgelebt, ist starke Motivation!

Ebenso "sexy" sind für Jugendliche etwa ökologische Konsumgüter, die ihre Konsummuster ansprechen. Man denke hier an den 200 km/h schnellen elektrisch betriebenen Sportwagen "Tesla" - ökologische korrekt von 0 auf 100 in 3 Sekunden! Und wenn ich weiß, welche Stars solche Autos fahren, kommt Motivation für das Thema beinahe von selbst.

Dass wir auf Dauer allerdings nicht alle Menschen auf unserer Erde mit unendlichem technischen Aufwand glücklich machen und konsumorientiert versorgen können, sondern dass in Zukunft nur Produkte mit Eigenschaften wie Langlebigkeit, sparsamem Ressourceneinsatz und zukunftsorientierter Nutzbarkeit einen Markt haben dürfen, muss positiv und angstfrei geklärt werden. Nicht der LOHAS-typische Konsumrausch sollte vermittelt werden. Ist der "Tesla" also bereits nachhaltig oder erst der "Tesla" im Rahmen von Carsharing?!

In einem zentralen Schritt muss daher die Lebenswelt an sich hinterfragt werden: "Warum benötige ich beispielsweise ein Auto?" Mobil sein, heißt einen Mangel beheben. Mir fehlt etwas an Ort und Stelle.

Damit sind wir wieder bei der zentralen Fragestellung: "Wie wollen wir in Zukunft leben!"

Fügen wir als Lehrkräfte nun Wissen, Denkanstöße und positiv vermittelte Werte, die am besten aus der Erfahrungswelt der Schüler stammen, in einem Ganzjahresprojekt zusammen, so sind die Chancen für eine Verhaltensänderung größer denn je.

Was wir als Lehrkräft in unseren Schulen brauchen ist damit klar:

  • Zeit, etwa um zu wiederholen, vertiefen und Ganzjahresprojekte durchzuführen, also echte Freiräume
  • Unterstützung, etwa vom Kultusministerium, den Direktoraten, Eltern, Firmen, Universitäten, Promis, ...
  • kreative Ideen, welche Projekte man in welcher Jahrgangsstufe einbinden könnte

Viel ist das eigentlich nicht! Aber in diesen Zeiten, ...